Erinnerungen der Tochter des letzten Schneiders
Unbekannt
Beim Anblick der „Alten Eisen“ werden bei mir viele Erinnerungen geweckt. Mein Vater, einer der Letzten in kleiner Werkstatt praktizierenden Schneidermeister, hatte sie alle gebraucht. Das kleinste (Nr. 6), das auch bei vielen Familien vorhanden war, stand stets hinten auf dem alten Herd, um im Falle eines Falls sofort für messerscharfe Falten zu sorgen. Das große (Nr. 1), mit glühenden Kohlen, während des Bügelns mehrmals aufzufüllen, nahm Vater, wenn er Mäntel und stark gepolsterte Schulterpartien glätten wollte. Um seine Hände vor der Hitze zu schützen, steckte er diese in überdimensionale Handschuhe, feuchtete mit einer Art „Stofffetzenpinsel“ die zu bügelnde Stelle ein und presste das 8 kg schwere Eisen darauf. Die Hosenfalten, die mit diesem und mit dem ersten elektrischen Bügeleisen (Nr. 5), dies war 7 kg schwer, geglättet wurden, hielten sogar noch nach 2 bis 3 Waschgängen. Nach diesen Bügelphasen war Vater geschafft. Ich sehe ihn noch vor mir, wie er sich zwischendurch über den schweren Schneidertisch gebeugt, mit einem großen Taschentuch den Schweiß von seiner Stirn wischte. Er hat die Bügeleisen jeweils passend zu den verarbeitenden Stoffen eingesetzt. Mit Freude hat er dann festgestellt, wenn kein Bügelgang von Nöten war, dass „diesmal“ keine Kohlen angefacht werden mussten. Bis 1958 waren alle Eisen „in Betrieb“, das kleine sogar noch ein paar Jahre länger, weil es für Mutter handlich und praktisch war, immer einsatzbereit hinten auf dem alten Küchenherd.
Heute haben die alten Bügeleisen ein Ahnenplätzchen im Wohnzimmer und so mancher unserer Gäste hat sich im Stemmen der beiden größten Eisen versucht. Das damit tatsächlich gearbeitet wurde, wollen jüngere Leute fast nicht glauben. Denn heute leben sie mit Dampf- und Leichtbügeleisen, die ohne Mühe dasselbe leisten.