Dorfleben

Das Auto, das sich selbst­ständig machte

Josef Bartz

Es war Mitte der 50er-Jahre als ich, Bartze Jupp, damals um die 10 Jahre alt, und bei Hammesse Karl Jürgen (wohnte zu dieser Zeit am Wolkener Weg 2 zum Spielen war, als dieser zu Künsters Maria geschickt wurde. Er sollte dort einen Spaten holen, damit sein Vater am Abend den Garten umspaten konnte. Wir beide gingen, wie beauftragt und holten den Spaten. Auf dem Rückweg machten wir zwischen Praeders und der Schlossklause halt. Karl Jürgen stellte den Spaten an die Mauer, der heutigen Gartenwirtschaft, und wir setzten uns auf den Rand. Auf dem Bereich des jetzigen Bürgersteigs, der früher breiter und gleichzeitig Parkplatz war, stand einsam ein PKW. Die Front zeigte Richtung Ort und die Reifen waren zum Park eingeschlagen. Ich weiß heute nicht mehr, was uns ritt, aber wie auf Kommando schoben wir an der Rückseite des Wagens. Es musste uns wohl wie ein Wunder vorgekommen sein, denn der Personenwagen setzte sich in Bewegung. Erst langsam, rollte der Wagen, dann über den Bordsteinrand Richtung Hang, auf die andere Straßenseite zu. Schieben brauchten wir nicht mehr, das Auto lief von selbst und anhalten ging auch nicht mehr, denn dafür hatten wir keine Kraft. Ich sehe noch den alten Opa Lohner, er war damals weit über 80 Jahre, der an Müllers Franz mit seinem Spazierstock winkte und rief: „Hü, Hü.“ Leider hörte das Auto nicht auf sein Rufen. Kurz und schmerzlos verschwand der Wagen auf der anderen Straßenseite und rutschte den Hang hinab in den Zaun von der Wiese. Wir beide schauten uns kurz an, sagten nichts mehr, nahmen den Spaten und unsere Beine in die Hand und liefen so schnell wir konnten weg. Das Spielen war uns vergangen und ich versteckte mich für die nächste Zeit im alten Viehwagenwrack, das vor den beiden großen Pappeln, auf der Wiese von Weibers Paul stand.

links: Frau Praeder, rechts: Karl Jürgen Hammes (* 23.01.1945, † 26.06.1965), ertrunken mit 20 Jahren beim Baden in der Nähe der Lehmener Staustufe in der Mosel. So wie viele Bassenheimer hatte er nie richtig schwimmen gelernt.

Gegen Abend musste ich aber dann doch nach Hause. Beim Abendessen erzählte mein Vater, dass einem Vertreter, der beim „Kollejersch“ in der Gaststätte war, sein Auto in der Wiese von Künsters gelaufen sei. Ich höre noch wie er sagte: „Der dolle Kerl hatte vergessen die Handbremse anzuziehen, da darf er sich nicht wundern, dass sein Auto wegläuft“. Jahre vergingen und wir hatten lange nichts mehr von der ganzen Angelegenheit gehört, bis ich eines Tages bei Praeders war und Frau Praeder mich plötzlich ansprach: „Was habt ihr euch eigentlich dabei gedacht, als ihr das Auto weggeschoben habt?“ Worauf ich natürlich keine Antwort geben konnte. So gab es doch noch einen Zeugen der uns aber nicht meldete oder verriet. Der alte Opa Lohner hat uns Kinder zum Glück auch nicht gekannt.