Burg & Park, Kriegsjahre/Nachkriegszeit

Bassenheim an der „Straße des Siegers“

Theobald Groß

Mit den Panzern einer amerikanischen Division erreichte Anfang März 1945 der angesehene Kriegsreporter und Bestseller-Autor Osmar White den Raum Mayen-Polch. In Bassenheim gab es unerwartete Erlebnisse, die er in seinem Buch „Die Straße des Siegers“ festgehalten hat. Besonders die Baronin in der Burg hat ihn sehr beeindruckt.

Die Siegesfanfaren der Nazis waren längst verklungen, deutsche Soldaten zogen nicht mehr mit dröhnenden Marschschritten durch die besiegten Länder Europas. Das blutige Kriegsgeschehen neigte sich dem Ende zu. Noch erlebten die Menschen in den Städten und Dörfern in der Eifel und am Rhein verängstigt das Heulen der Jagdbomber über den Dächern, vernahmen dumpfe Einschläge von Artilleriegeschossen und das ferne Hämmern von Maschinengewehren. Die Kampfhandlungen hatten Deutschland erreicht.

Bereits im Januar 1945 waren die am 06.06.1944 in der Normandie gelandeten alliierten Truppen in die Eifel bis Daun und Prüm vorgerückt. In Bassenheim hatte die deutsche Wehrmacht, wie wir aus der Schulchronik erfahren, die Volksschule beschlagnahmt. Sie wurde zu einer Sammelstelle für eine Ausbildungskompanie. Junge Männer, kaum 17 Jahre, sollten für das Kriegshandwerk angelernt werden, um als schlecht ausgebildete und nicht einmal dürftig bewaffnete Soldaten mit schweren Panzern anrückenden Amerikanern aufzuhalten. Ein späterer Landespolitiker, Hans Helzer aus Altenkirchen, der Anfang 1945 in Bassenheim zur sogenannten „Ausbildung“ dabei war, berichtete von sinnlosen, ja lebensgefährlichen Einsätzen. Die jungen Milchgesichter, so der Soldatenlehrling vom Westerwald, seien singend durch Bassenheim und durch den Schlosspark gezogen. Unbekümmert ahnten sie nur nebelhaft, welche Schrecken und Gefahren durch die sich nähernde Front ihnen drohen könnten. Helzer wurde im Landtag des späteren Landes Rheinland-Pfalz ein angesehener Bildungspolitiker. Nach seinen Angaben war in Bassenheim Albrecht Martin, der 1974 Landtagspräsident werden sollte, mit dabei. Beide haben sich nach Veröffentlichungen über das historische Treffen Konrad Adenauers und Robert Schumans 1948 in Bassenheim daran erinnert, dass sie die Burg der Grafen und den Schlosspark, in denen einmal ein Stück europäischer Geschichte stattfinden sollte, kennengelernt hatten.

Doch kehren wir zum Geschehen des letzten Kriegsjahres zurück. Bassenheim erlebte das Durchziehen deutscher Truppen, die, unzureichend motorisiert und kaum noch verpflegt, nur noch ein Ziel hatten: den Rhein, um sich über den Fluss retten zu können. Die in der Schule und in Privatwohnungen einquartierten jungen Männer der Ausbildungskompanie schlossen sich ohne zu zögern den flüchtenden Fronttruppen an.

Mit den Panzern der 4. US-Division war auch Osmar White in die Eifel gekommen. Der aus Australien stammende Journalist galt als einer der besten angelsächsischen Kriegskorrespondenten. Über den Krieg 1943 im Pazifik hatte er mit seinem Buch „Green Armour“ einen Bestseller geschrieben. Als White 1946 in dem Buch „Die Straße des Siegers“ die Erlebnisse aus den letzten Kriegstagen veröffentlichen wollte, gab es von Verlagen in London und New York begeisterte Reaktionen. Doch trotz der Zusage, das Buch zu drucken, machten die Verlage einen Rückzieher, nachdem kritische Äußerungen über das Verhalten alliierter Soldaten gegenüber Deutschen und die Schilderung von Feindschaften zwischen Amerikanern und Russen hatten die Militärzensur auf den Plan gerufen.

Jahrzehnte später erinnerte sich White an das alte Manuskript, überarbeitete es und veröffentlichte es unter dem alten Titel: „Die Straße des Siegers“, auf Deutsch im Verlag Piper in München erschienen. White schildert, dass er im Januar 1945 in Esch in Luxemburg zu General George Pattons 3. US-Armee stieß und mit seinen Truppen nach Deutschland einrückte. Der harte Winter machte den Soldaten zu schaffen.

„Die Kälte biss in Gesicht und Händen und der Schnee knirschte leise bei jedem Schritt“, schrieb er in sein Tagebuch. In der Armeezeitung „Stars and Stripes“ las er: „Sie betreten Deutschland – keine Fraternisierung.“ Ihm schien es „seltsam, in Deutschland unterwegs zu sein“. Statt mit deutschen Soldaten machte er Bekanntschaft mit Zivilisten, begegnete Frauen und Kindern. Ein erstes angenehmes Erlebnis wartete auf ihn: „In der Nacht erreichten wir Polch“, schreibt er, „wir aßen im Dorfgasthaus zu Abend, ein himmlisches Mahl aus Hühnchen, Erbsen, Kartoffeln und Dosenpfirsichen, und spülten das Essen mit dünnem, süßem Bier hinunter. Den Krieg in Deutschland hatte er sich schrecklicher vorgestellt.

Nachdem die amerikanischen Truppen am 7. März Mayen erreicht und auch bis zur Eisernen Hand vorgestoßen waren, zogen sie am 8. März um 9 Uhr von der Ochtendunger Höhe aus mit Panzern, Geschützlafetten und Transportern in Bassenheim ein. Im Dorf war kein Schuss gefallen. Die Bevölkerung erhielt über Lautsprecher Anweisung, wie sie sich zu verhalten habe. Wie in vielen anderen Gemeinden auch, wurde der Pastor zum Bürgermeister ernannt. In Bassenheim war das für nur drei Tage Pfarrer Mehren.

White war dabei, als in der Bassenheimer Burg im Schlosspark ein Kommandoposten eingerichtet wurde. Der Reporter berichtet in seinem Buch: „Die stählernen Panzerketten hatten den Boden des Parks umgepflügt. Ein Sherman-Panzer war ins Schleudern geraten und gegen die alte, mit Wein bedeckte steinerne Mauer des Parks geprallt.“ Auch am Torbogen neben dem Pförtnerhaus hätten Panzer ihre Spuren hinterlassen. Eingehend inspizierte der Kriegsreporter die Räume der Burg, die er als Schloss bezeichnet, betrachtet von glänzenden Parkettböden und kunstvollen Schnitzereien an den Decken. Gemälde in schweren, vergoldeten Rahmen waren für ihn „scheußlich und bestimmt sehr wertvoll“. „In der großen Halle“, gemeint war wohl der Rittersaal, sah der Reporter einen Mann an einem Stehpult Listen auf große Papierbögen schreiben. Ein Leutnant vom US-Militärgeheimdienst klärte ihn auf: Der Mann in der schwarzen Jacke „schreibt auf, was wir requiriert haben“. Seine Anmerkung: „Wir lassen ihn einfach machen. Er ist glücklich.“ Doch das Hauptaugenmerk Osmar Whites galt einer Dame: „Haben Sie schon die Baronin gesehen? Nein? Sollten Sie tun. Lohnt sich. Lohnt sich wirklich“.

Nach der Besichtigung einer in Stellung gegangenen Batterie Feldartillerie, die Geschütze ausrichtete und in Richtung Koblenz schoss, schaute er sich die Baronin näher an: „Eine blonde, etwa fünfundzwanzigjährige Frau mit einem blassen, scharf geschnittenen Gesicht. Sie trug Reithosen und hohe, glänzende Stiefel, Tweedjacke und ein kariertes Umschlagtuch, das von einer silbernen Brosche zusammengehalten wurde.“ Wollte sie mit der Reitpeitsche in ihrer Hand zudringliche Soldaten abwehren, fragte sich der Reporter. Die Soldaten „lungerten kaugummikauend herum und beobachteten sie grinsend und mit kaum verhohlenem Interesse“, registrierte White. Der Journalist bemühte sich um ein Gespräch mit der Baronin. Sie erzählte ihm, dass sie „seit zwei Jahren friedlich hier in Bassenheim auf dem Familiensitz“ lebe. Ihr Mann sei an der Ostfront gefallen. Um Politik habe sie sich vor dem Krieg nicht gekümmert. Im Schloss beherberge sie „evakuierte Kinder und Soldaten auf Genesungsurlaub.“ Der wissbegierige Reporter, dem die Baronin sehr imponiert hatte, ahnte nicht, dass er mit der Tochter einer berühmten Frau gesprochen hatte: Renata Freifrau von Waldthausen, die 1939 den Freiherrn Helmuth von Waldthausen geheiratet hatte, war eine geborene von Nostitz-Wallwitz.

Ihre Mutter, Helene von Nostitz, war die Tochter des Generals Conrad von Hindenburg, eines Vetters des Reichspräsidenten von Hindenburg. Doch nicht ihre Geburt in der großbürgerlichen Welt hatte sie berühmt gemacht, sondern ihr schriftstellerisches Genie und ihre intensiven Freundschaften mit anerkannten Persönlichkeiten der europäischen Kultur. Helene pflegte sehr persönliche Beziehungen zu Auguste Rodin, Rainer Maria Rilke, Hugo von Hofmannsthal, Gerhart Hauptmann und vielen anderen bedeutenden Künstlern und Dichtern. Ihr Buch „Aus dem alten Europa“ wurde 1924 ein Bestseller und 1973 im Insel-Verlag neu aufgelegt.

In der Burg im Bassenheimer Schlosspark wurde 1945 von amerkianischen Truppen ein Kommandoposten eingerichtet. So kam es zur Begegnung des Buchautors Osmar White mit der Freifrau Renata von Waldthausen.

Über den Reichspräsidenten, ihren Onkel Paul von Hindenburg, hat sie in den USA eine Biografie in Englisch geschrieben. Durch die Heirat ihrer Tochter mit Helmuth von Waldthausen kam sie 1939 erstmals nach Bassenheim und hat seit 1940 in der Burg gewohnt, wo sie 1944 gestorben und am geschichtsträchtigen 20. Juli auf dem Schlosspark-Friedhof beerdigt worden ist. Tochter Renata starb im Jahre 2000 im Alter von 83 Jahren in München.

Von Osmar White erfahren wir, dass er mit einer größeren Panzer-Kolonne von Bassenheim aus in Richtung St. Sebastian aufgebrochen ist, um die zurückweichenden deutschen Truppen daran zu hindern, über die Kronprinz-Wilhelm-Brücke auf die rechte Rheinseite zu entkommen. Nach Whites Angaben haben die deutschen Truppen fürchterliche Verluste erlitten.

Zwei Tage später rollten von Bassenheim aus schwere US-Panzer durch Rübenach und über die Trierer Straße in den Koblenzer Vorort Metternich. Im fernen Amerika berichtete nach Angaben von Fritz Hirschner, dem späteren Chefredakteur der ,,Rhein-Zeitung", die ,,New York Times" über den Vormarsch auf die Stadt an Rhein und Mosel. Koblenz wird in wenigen Stunden fallen. General Patton setzte starke Kräfte sechs Kilometer westlich von Koblenz um 3 Uhr früh über die Mosel. Nach einem kurzen Ultimatum, Übergabe oder Tod, das durch Lautsprecher an die deutsche Besatzung ausgegeben wurde, behämmerte die Artillerie der 3. Armee mit 5000 Granaten die Stadt Koblenz. Eine Granate schlug das berühmte Denkmal Kaiser Wilhelm I. in Stücke. In seinem Buch ,,Peter Altmeier und das Werden von Rheinland- Pfalz" zitiert Hirschner das Oberkommando der Wehrmacht: „In Koblenz, das von 2000 Mann verteidigt wurde, ist der Widerstand zu Ende gegangen“.
Innerhalb weniger Tage besetzten die Amerikaner alle Städte und Gemeinden des Regierungsbezirks Koblenz und den Raum Montabaur, der zuvor zum Hessen-Nassauischen Regierungsbezirk Wiesbaden gehört hatte.
Die US-Militärbehörden waren bestrebt, in den besetzten Gebieten deutsche Verwaltungen aufzubauen, sie setzten Bürgermeister und Landräte ein und ernannten Regierungspräsidenten. Am 04.06.1945 bildete die US-Militärbehörde die Verwaltungseinheit Mittelrhein-Saar", zu der die Regierungsbezirke Koblenz und Trier, die Pfalz, Rheinhessen und das Saarland gehörten.

In Bassenheim hatten die Amerikaner nach Angaben der Chronik des Hauptlehrers Heinemann „viele Häuser“ beschlagnahmt,,,auch die Schule". „Ganze Straßenzüge waren mit Truppen voll belegt."

Nachdem Koblenz am 17. März von den US-Truppen eingenommen worden war, zogen in Bassenheim immer wieder Truppen ab, aber es kamen stets neue. Die Besatzung war nach wie vor sehr hoch. Warum das so war, ist nicht bekannt. Möglicherweise spielte die Nähe zu dem von Bomben stark zerstörten Koblenz eine Rolle. Am 10.07.1945 übergaben die Amerikaner die Befehlsgewalt im südlichen Rheinland den Franzosen. Die neue französische Besatzungsmacht mit ihrem Oberbefehlshaber Pierre König, der von Baden-Baden aus die französische Zone regierte, verfügte als erste Maßnahme die Auflösung der von den Amerikanern geschaffenen Verwaltungseinheit Mittelrhein-Saar. Die Regierung in Paris hatte nämlich beschlossen, die Saar solle eine eigene Verwaltungseinheit bilden, losgelöst vom übrigen Deutschland.

In Bassenheim war nach dem Abzug der Amerikaner Ruhe eingekehrt. Die Soldaten hatten Häuser und Wohnungen geräumt. Es schien, dass damit die Wohnungsnot behoben sei. Doch die Erholungspause dauerte nicht lange und es gab bald Probleme ungeahnten Ausmaßes. In dem damals nur 1.800 Einwohner zählenden Dorf zogen bis zu 700 französische Soldaten ein. Dafür gab es einen Grund, der erst nach und nach den Bürgern zum Bewusstsein kam: General Hettier de Boislambert, der Gouverneuer von Rheinland-Hessen-Nassau, hatte die Burg im Schlosspark beschlagnahmt und sich am 05.12.1945 in der neuen Residenz häuslich eingerichtet.

 

  • Theobald Groß: „Heimatbuch-Jahrbuch 2015 Kreis Mayen-Koblenz“, S. 182 – 185.